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Das ist doch aber alles total Natürlich!

Aktualisiert: 15. Jan. 2019


Was ich von dem Argument der Natürlichkeit in Bezug auf die Geburt halte....


Immer mal wieder höre ich diesen oder ähnliche Sätze als abwehrenden Einwand wenn es um z.B. Hypnobirthing geht.

Geburt ist etwas Normales, etwas Natürliches.

Und bisher immer habe ich mich sehr gewundert über diesen Einwand. Nicht weil ich da widersprechen würde, eher im Gegenteil. Aber weil jene die vor mir stehen und die Natürlichkeit von Schwangerschaft und Geburt propagieren, meist weit weg sind von dieser Natürlichkeit. Ich mache hier nicht das Faß auf, dass viele von uns in der Stadt leben, der Zugang zur Natur uns fehlt oder Ähnliches. Es geht darum, dass die Geburt ein natürlicher Prozess ist, der schwangere Körper fürs Gebären entsprechend ausgestattet ist etc. Und ja, natürlich!

Aber dann stehen da Frauen vor mir die kaum Zugang zu ihrem Körpern haben. Ihn zeitlebens nie nett behandelt haben, sich gewisse Regionen ihres Körpers noch nie angesehen haben, deren Körper mit Scham behaftet ist, die nicht einmal Worte für Teile ihres Körper haben, keine wertschätzende Sprache darüber, die sich in ihren Körpern nicht wohl fühlen. Und ich stutze und frage mich wie es dann zu diesem Einwand kommt, den ich so oft gehört habe.

Und heute, heute fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Schieben von Geburt in einen Bereich der „natürlich“ in einem biologischen Sinne ist, verhindert das Auseinandersetzen damit. Das stellt einfach ein 1A Verdrängungstool dar.

Nochmal zurück zu dem Punkt, dass auch ich grundsätzlich zustimme, dass Geburt etwas natürliches ist. Ich betrachte das jetzt von einem 2 Geschlechter Standpunkt aus (wohlweißlich dass das eine Vereinfachung ist, die nicht ganze Realität skizziert) und stimme zu: der Körper der Frau trägt grundsätzlich die Anlagen in sich ein Kind zu tragen und zu gebären. Da ist der Uterus, der Geburtskanal, da sind Hormone, Bakterien, Mechanismen, ineinandergreifende Abläufe und vieles mehr, das ein ziemlich geniales System darstellt, dass eben das möglich macht.


Ich sage also: Ja, Frauen können gebären.


Und zeitgleich sage ich auch, dass ich keine Frau kenne, die keine (gute!) Vorbereitung benötigen würde.

Auch als Yogalehrerin, und da haben ich mich immerhin in einer gewissen Blase bewegt, habe ich das gesehen. Das Gespür für und das aushalten des Körpers ist bei vielen schlichtweg nicht vorhanden. Im Yoga sind es zumindest Menschen die genau da hin wollen, aber die überwiegende Mehrheit ist da nicht.

Im Yoga. Außerhalb dieser kleinen Blase sieht das dann natürlich nochmal anders aus (spoiler: nicht besser). Und auch darüber schrieb ich schon- verdrängen funktioniert nicht. Das Wegschieben der Geburt bis kurz vor die Kreissaaltür, Leute, das fällt euch vor die Füße. Entweder ziemlich fix, nämlich im Kreissaal dann oder irgendwann im oder nach dem Wochenbett. Ich bestärke gern wenn es um Geburt geht, ich finde Dystopien an dieser Stelle wenig hilfreich.

Aber es tut mir auch im Herzen weh und ich möchte jede Frau schütteln die sich nicht vorbereitet, denn ja, genau das glaube ich, dass es die vor die Füße fallen wird!

Und ich habe es schon im Bekanntenkreis erlebt, und zwar nicht nur einmal, dass ich den Besuch in meinem Kurs empfohlen habe, das leihen von Literatur angeboten habe, Gespräche initiieren wollte und alles dankend abgelehnt wurde. Ich habe das dezent angeboten, habe nie, natürlich nicht, Angst gemacht oder ähnliches und habe die Ablehnung selbstverständlich akzeptiert. Und was ich im Nachhinein, nach der Geburt zu hören bekam war, „hätte ich mal“.


True Story!!!!


Mehr. Als. Ein. Mal.

Ich schrieb hier bereits, dass ich nicht glaube, dass das Hypnobirthing sein muss. Aber in aller Deutlichkeit sage ich: es MUSS eine Auseinandersetzung und eine Vorbereitung geben. Menschen lesen das Internet leer bevor sie sich einen neuen Staubsauger kaufen, für den neuen Kindersitz wird Stiftung Warentest zu Rate gezogen und bei einem Auto erst, da gibt es stunden-, tagelange Recherche. Aber bei Geburt ist plötzlich alles ganz natürlich, haben Millionen Frauen vor uns das schon geschafft, das Kind wird schon geschaukelt. Die Männer die unvorbereitet dabei sein sollen, ja, die machen das auch einfach so. Der Natürlichkeit wegen.


Wenn du aus voller Überzeugung von dir sagen kannst, dass du deinen Körper kennst, ihn spüren kannst, mit neuen Situationen gut umgehen kannst, gut loslassen kannst, Ausscheidungen und Abläufe deines Körpers für dich kein Tabu darstellen, du auch mit Schmerz umgehen kannst, du eine gute Kondition hast, Vertrauen in deinen Körper und deine Fähigkeiten hast, dann gratuliere ich dir von Herzen.


Wenn dein Partner die Souveränität in Person ist, ebenfalls mit Ausscheidungen kein Problem hat, wenn er anpacken kann wenn es nötig ist, aber ebenso auch Finger und Füße stillhalten kann wenn er sich vielleicht gerade unwohl fühlt und dann nicht in einen kopflosen Aktionismus verfällt, wenn dein Partner aushalten kann dass an manchen Stellen die größte Unterstützung im Abwarten und Nichtstun liegt, wenn er das Selbstbewusstsein besitzt sich ggf. auch vor anderen für dich und deine Belange einzusetzen, wenn er deine Wünsche kennt, dann gratuliere ich auch hier von Herzen.

Wenn ihr gemeinsam es absolut gewohnt seid auch in Ausnahmesituationen miteinander zu harmonieren, wenn ihr wisst was ihr voneinander erwartet und wie ihr euch gegenseitig unterstützen könnt, wenn das Thema (ja, schon wieder) Ausscheidungen voreinander irgendwie geklärt ist, dann, hey, Gratulation.

Sollte das nicht zutreffen, komplett oder auch nur teilweise, dann setzt dich damit auseinander, bereite dich vor, finde den Weg der zu dir, zu euch passt. Aber schieb es nicht unter dem Vorwand der Natürlichkeit beiseite.

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